Der 2. Weltkrieg und die Besatzungsjahre 1940-44 machen dann erneut alle bisher geleistete mühevolle Aufbauarbeit zunichte und der Rasse nahezu den Garaus. Nur unter großen Opfern gelingt es, einige Hunde über diese schwere Zeit hinweg am Leben zu erhalten.
Nun trat Jean Cotte auf den Plan. Bereits vor dem Krieg Picardenthusiast und Besitzer eines solchen Hundes, begann er, nach Kriegsende auf den Bauernhöfen der Picardie nach überlebenden Hunden zu suchen, die dem Typ des Picards entsprachen. Die typvollsten seiner Findlinge kreuzte er mit Bouviers des Flandres und erhielt so u.a. RADJAH DE LA BOHEME und WAX DE LA BOHEME, die als Stammeltern, als Adam und Eva sozusagen, unserer heutigen Picards gelten. Mit RADJAH und WAX beginnt unter dem Zwingernamen DE LA BOHEME der Neuaufbau der Rasse.
Deren Nachkommen YUCCA und YASMINA DES HAUTS CHESNEAUX brachten BAMBOU, BALSAMINE, BUDLEYA und BRISE zur Welt. BAMBOU wurde mit seinen 3 Schwestern verpaart.
Alle heute lebenden Picards lassen sich zurückführen auf RADJAH und WAX - zumindest auf dem Papier. Denn es sei nicht verschwiegen, dass es etliche Zweifel an der Richtigkeit der Stammbucheintragung aus der Anfangszeit des Neuaufbaus der heutigen Rasse gibt.
Im Jahr 1953 wurde ein Club des Amateurs du chien de berger de Picardie ins Leben gerufen. Im gleichen Jahr wurden die ersten 18 Picards ins Französische Hundestammbuch (L.O.F. = Livre des Origines Francais) aufgenommen. Der neugegründete Club organisierte am 27. Juni 1954 in Amiens die erste Spezialschau für Picards. Im Jahr 1956 wurde dann die bis heute bestehende Vereinigung „Les Amis du Berger Picard" ins Leben gerufen, welche 1959 von der S.C.C. anerkannt wurde.
Noch lange bleibt der Picard in seinem Heimatland eine überwiegend regional bekannte und verbreitete Hunderasse. Zwischen 1970 und 1972 sind 14 Zwinger bei der L.O.F. angemeldet, und auf der Ausstellung in Amiens im Jahr 1973 sind immerhin 50 Picards zu sehen, wenngleich die Hälfte von ihnen (24) aus den Regionen Somme und Pas de Calais stammt sowie sieben weitere Hunde aus der angrenzenden Pariser Region.
Wurden in den schwierigen Zeiten des Neuaufbaus und den Anfangsjahren des Clubs zwischen 1953 und 1957 zwischen zwei und maximal 18
Welpen pro Jahr eingetragen, so stieg diese Zahl im Laufe der sechziger Jahre auf 36 bis 57 Welpen pro Jahr an. Im Jahr 1971 wurde erstmals die Hundertergrenze erreicht bzw. überschritten. Aber
nach wie vor tut sich der Picard schwer und steht noch immer als Stiefkind im Schatten seiner weitaus beliebteren und verbreiteteren „Landsmänner“ Briard und Beauceron. So waren im
Zentralregister der SCC 1988 nur etwa 2.000 in Frankreich lebende Picards registriert – gegenüber nahezu 30.000 Beaucerons und an die 50.000 Briard. Dennoch stellten die im gleichen Jahr
registrierten 280 Picard-Welpen eine
erfreuliche Steigerung gegenüber den frühen Jahren dar und gaben zu berechtigten Hoffnungen Anlass.
Es sei nicht verschwiegen, dass der heutige Picard eine in hohem Maße auf einer Inzuchtpopulation aufgebaute Hunderasse ist, woraus vermutlich auch gewissen Probleme resultieren dürften, mit denen die Rasse bis in die Gegenwart zu kämpfen hat. Bereits der erste im LOF eingetragene Wurf wies einen Inzuchtkoeffizienten von 37,5 Prozent auf. Man scheute sich nicht, die Inzuchtpaarungen noch weiter zu treiben, bis in die dritte und vierte Generation hinein. So errechnete Christian Janes zum Beispiel für einen Wurf aus dem Jahr 1954 einen Inzuchtkoeffizienten von 50 Prozent und für einen Wurf aus dem Jahre 1958 einen Inzuchtkoeffizienten von 53,12 Prozent! Der „Ahnenverlustkoeffizient“ des letztgenannten Wurfs betrug 19,35 Prozent. Das heißt im Klartext, dass in fünf Generationen anstelle von 62 möglichen unterschiedlichen Ahnen nur noch zwölf verschieden Ahnen zu finden waren. Für die Würfe, die bis 1959 gemacht wurden, kann man von einen durchschnittlichen Inzuchtkoeffizienten von etwas mehr als 40 Prozent (!) ausgehen. Das ist ein gigantisch hoher Wert, den nur wenige andere Hunderassen erreichen dürften. Bedingt durch die neuen Züchter Sénécat (du Grand Tarsac) und Lampert (de la Franche Pierre) konnte dieser extrem hohe Wert ab Anfang der 1960-er Jahre auf rund 20 Prozent gesenkt werden.
Noch lange blieb der Picard in seinem Heimatland eine überwiegend regional bekannte und verbreitete Hunderasse.
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